UniCredit Bank Austria Konjunktureinschätzung 2021/22
Konjunkturerholung in Österreich ab Frühjahr 2021 in Sicht
- Durch den neuerlichen Lockdown ist eine leichte Rezession über den Winter 2020/21 zu erwarten
- Die Industrieerholung hält trotz des Lockdowns vorerst noch an: UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex signalisiert mit 51,7 Punkten im November weiterhin Produktionswachstum
- Die globale Erholung ab Frühjahr wird über die Exportwirtschaft den Aufschwung in Österreich unterstützen: Nach einem BIP-Rückgang von 7,5 Prozent 2020 folgt ein Aufholprozess mit Wachstumsraten von 3,1 Prozent 2021 und 5,2 Prozent 2022
- Trotz Rebound von Konsum und Investitionen: Die hohe Sparquote bzw. die Zurückhaltung bei Investitionen bremsen das Aufschwungstempo
- Langsame Entspannung am Arbeitsmarkt ab Mitte 2021: Die Arbeitslosenquote sinkt in Österreich von 10 Prozent im Jahresdurchschnitt 2020 auf 9,6 Prozent 2021 und 8,7 Prozent 2022
- Die Inflation bleibt in Österreich unter der Marke von 2 Prozent, der Inflationsaufschlag steigt jedoch weiter gegenüber dem Euroraum
- Der weitere Verlauf der Pandemie bleibt das bestimmende Konjunkturrisiko
Der kontinuierliche Anstieg neuer Fälle von COVID-19 seit Mitte des Sommers führte in den meisten Staaten Europas und damit auch in Österreich zu einem erneuten Lockdown und dementsprechend zu einer Reduktion des wirtschaftlichen Aktivitätsniveaus. „Auch wenn der erneute Lockdown für manche Branchen in Österreich ähnlich stark ausfällt wie im Frühjahr zeigen die Aktivitätsniveaus in Österreich einen etwas geringeren Einbruch“, meint Stefan Bruckbauer, Chefvolkswirt der UniCredit Bank Austria und ergänzt: „Trotzdem wird Österreichs Wirtschaft im vierten Quartal 2020 erneut in eine Rezession eintreten“.
Die Ökonomen der UniCredit Bank Austria erwarten, dass der Lockdown mehr oder weniger in den meisten Ländern Europas bis zum Beginn des Frühjahres anhalten wird. Trotz einiger Lockerungsmaßnahmen wird die sich abschwächende Industriekonjunktur im ersten Quartal 2021 erneut zu einem leichten BIP-Rückgang führen. „Mit Frühlingsbeginn und erst recht über den Sommer ist dann mit einer deutlichen Belebung der Wirtschaft sowohl in Österreich als auch in den meisten Ländern Europas zu rechnen“, sagt Bruckbauer.
Für die weitere Erholung in den kommenden zwei Jahren ist für die Ökonomen der UniCredit Bank Austria entscheidend, wie sich die Konsumenten in Bezug auf das hohe Sparvolumens verhalten werden. Die Sparquote dürfte 2020 in Österreich rund 14 Prozent erreichen und im nächsten Jahr mit 11 Prozent noch immer über dem Vorkrisenniveau von rund 8 Prozent bleiben und damit die Konjunkturerholung bremsen. Auch bei den Investitionen der Unternehmen ist nach dem Einbruch um über 6 Prozent 2020 noch bis 2023 nicht damit zu rechnen, dass der Vorkrisentrend erreicht werden kann, was dementsprechend das Wachstumspotential in Österreich dämpfen wird.
Obwohl die Ökonomen der UniCredit Bank Austria davon ausgehen, dass mittelfristig die Trends wieder in den Vordergrund rücken, die bereits vor der Pandemie bestimmend waren – wie Digitalisierung, nachhaltiges Wirtschaften und globale Handelskonflikte – wird die Region Asien gegenüber dem Rest der Welt sowie Güterproduzenten gegenüber Dienstleistungsanbietern in den nächsten zwei Jahren im Vorteil sein. Österreichs Wirtschaft erreicht mit rund 3,5 Prozent ihrer Nachfrage aus Asien in etwa Euroraum-Durchschnitt, während Deutschland mit einem Anteil von 5 Prozent etwas günstiger abschneidet.
Hinsichtlich der von der Pandemie kurzfristig negativ betroffen Branchen liegt Österreich jedenfalls im internationalen Vergleich aufgrund des hohen Anteils des Tourismus ungünstiger. „Mit dem hohen Tourismusanteil an der österreichischen Wirtschaftsleistung dürfte Österreich in den kommenden Jahren ungünstigere Wachstumsvoraussetzungen als etwa Deutschland, Frankreich oder die Schweiz haben“, meint Bruckbauer. Um so wichtiger ist es für Österreichs Wirtschaft, dass die Politik mit einer das Wachstum stützenden Politik zusätzliche Impulse setzt.
Rebound ab Mitte 2021
„Nach dem starken Rückgang des BIP um 7,5 Prozent im Jahr 2020 wird mit der im Frühjahr einsetzenden Erholung die österreichische Wirtschaft 2021 ein Wirtschaftswachstum von 3,1 Prozent und 2022 von sogar 5,2 Prozent erreichen können“, meint UniCredit Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl und ergänzt: „Die Entwicklung wird von der sehr unterschiedlichen Betroffenheit der einzelnen Wirtschaftsbranchen von der Pandemie und den Maßnahmen zu deren Eindämmung gekennzeichnet sein.“
Der Lebensmittelhandel sowie der Versand- und Internethandel werden deutliche Umsatzzuwächse im längerfristigen Vergleich erzielen. Moderate Einbußen im längerfristigen Vergleich werden neben den sogenannten systemerhaltenden Bereichen, wie die öffentliche Verwaltung und die Gesundheitsdienste einige wenige Dienstleistungssparten, wie die Paketdienste und die Anbieter von Informations- und Kommunikationsdiensten, sowie einige Industriebranchen, wie die Pharmaindustrie, die Möbel- und Sportartikelhersteller und die Lebensmittelerzeuger verzeichnen.
Als relativ krisenfest wird sich auch die Bauwirtschaft erweisen, die das Krisenjahr 2020 dank guter Auftragslage mit einem geringen Wertschöpfungsminus von 2 Prozent abschließen dürfte, deren Erholungstempo in den kommenden Jahren aber mehr denn je von öffentlichen Bauinvestitionen abhängen wird. Mit den höchsten Umsatzeinbußen sind die tourismusabhängigen Sparten, das Beherbergungs- und Gaststättenwesen, die Reisebüros, Kulturveranstalter, einzelne Verkehrsdienstleister aber auch der Lebensmittelgroßhandel konfrontiert, die auch noch einer schwierigen ersten Jahreshälfte 2021 entgegensehen.
Industrieerholung hält im 2. Lockdown vorerst noch an
Die Industrie hat ihre Abläufe an die neuen Rahmenbedingungen wie das Social Distancing gut angepasst und wird die Corona-Krise 2020 besser bewältigen als die Finanzkrise 2009. Die mit Beginn des dritten Quartals 2020 eingesetzte Erholung der Industriekonjunktur in Österreich hält auch während des zweiten Lockdowns an. „Im November ist der UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex zwar leicht auf 51,7 Punkte gesunken. Nach dem Einbruch während des ersten Lockdowns liegt die heimische Industrie aber weiterhin auf Expansionskurs, mittlerweile den fünften Monat in Folge“, meint Pudschedl.
Mit Rückenwind aus dem Ausland hat sich der Aufschwung der heimischen Industrie nach einem eher ruhigen Start im Herbst konsolidiert. Im November haben die heimischen Industriebetriebe, gestützt auf einen Anstieg des Neugeschäfts, die Produktion erneut ausgeweitet und der Beschäftigungsabbau verlor zumindest an Tempo. Zudem weisen steigende Auftragsrückstände, längere Lieferzeiten und höhere Preise auf eine positive Entwicklung hin.
„Auf kurze Sicht spricht das Indexverhältnis zwischen Neuaufträgen und den Beständen im Absatzlager im Rahmen der Befragung zum UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex für eine Fortsetzung des Konjunkturaufschwungs in der heimischen Industrie, denn mit den vorhandenen Lagerbeständen können die eingelangten Aufträge nicht ohne einer weiteren Produktionssteigerung erfüllt werden. Darüber hinaus sind die Betriebe trotz Lockdown hinsichtlich der mittelfristigen Aussichten etwas optimistischer geworden. Die Produktionserwartungen für das kommende Jahr stiegen im November leicht an“, so Pudschedl. Die Industriekonjunktur wird aber 2021 dennoch gedämpft bleiben, da die Investitions- und Exportentwicklung unter anhaltenden wirtschaftlichen Unsicherheiten leiden und die Gewinnausfälle 2020 den Investitionsspielraum einengen bzw. noch unterausgelastete Kapazitäten den Investitionsbedarf bremsen.
Nur langsame Entspannung am Arbeitsmarkt in Sicht
Die unterschiedliche Sektorentwicklung widerspiegelt sich auch am österreichischen Arbeitsmarkt. „Aufgrund des zweiten Lockdowns wird sich der Verbesserungstrend am Arbeitsmarkt in den kommenden Monaten nicht mehr fortsetzten. Erst ab der zweiten Jahreshälfte 2021 erwarten wir wieder einen Rückgang der Arbeitslosenquote in Österreich. Nach dem Anstieg auf durchschnittlich 10 Prozent im Jahr 2020 wird die Arbeitslosenquote 2021 auf 9,6 Prozent sinken und erst 2022 etwas stärker abnehmen, mit 8,7 Prozent jedoch weiter klar über dem Vorkrisenniveau liegen“, meint Pudschedl.
Trotz der Corona-Krise wird die Inflation in Österreich im Jahresdurchschnitt 2020 mit 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr voraussichtlich nicht sinken. Der Inflationsaufschlag gegenüber dem Euroraum und unserem wichtigsten Handelspartner Deutschland hat sich insbesondere ab Mitte des Jahres deutlich erhöht. Dies ist unter anderem auf stärkere Preisanstiege in den Sparten Beherbergung und Gastronomie zurückzuführen. Zudem wurde die temporäre Herabsetzung der Mehrwertsteuer für Gastronomie-, Beherbergung- und Kulturdienstleistungen, anders als etwa in Deutschland die Herabsetzung der allgemeinen Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent, offenbar kaum an die Konsumenten weitergegeben. Wäre in Österreich eine gleich starke Preisreaktion auf die Mehrwertsteuersenkung wie in Deutschland erfolgt, hätte die Inflation von Juli bis Oktober in Österreich nicht durchschnittlich 1,4 Prozent betragen, sondern nur rund 0,6 Prozent.
Trotz der Erholung wird der Inflationsdruck vorerst überschaubar bleiben, zudem 2021 der Ölpreis die Teuerung in Österreich entlasten dürfte. „Nach 1,5 Prozent im Jahresdurchschnitt 2020 erwarten wir auch für 2021 eine Inflationsrate von 1,5 Prozent, die sich 2022 auf durchschnittlich 1,9 Prozent erhöhen dürfte. Damit wird die Teuerung das zehnte Jahr in Folge über dem Vergleichswert im Euroraum liegen. Von 2013 als Startpunkt gesehen wird sich bis 2022 insgesamt ein Inflationsaufschlag von fast 7 Prozentpunkten gegenüber dem europäischen Durchschnitt aufbauen“, meint Pudschedl.
Geldpolitik unterstützt weiter
In diesem Umfeld ist von der Geldpolitik der EZB mit weiterer Unterstützung zu rechnen. Die Ökonomen der UniCredit Bank Austria gehen von einer erneuten Erhöhung des PEPP im Dezember aus. Zinssenkungen seitens der EZB erwarten sie jedoch bis Ende 2022 nicht.
Risiken und Chancen abhängig vom Pandemieverlauf
Der Ausblick der Ökonomen der UniCredit Bank Austria für die nächsten zwei Jahre ist wesentlich auf eine deutliche Erleichterung der Pandemie ab Mitte 2021 aufgebaut, wofür es aufgrund der ermutigenden Aussichten auf eine wirkungsvolle Impfung und weiter verbesserte Therapiemöglichkeiten gute Argumente gibt. „Wir erwarten, dass Österreichs Wirtschaft Mitte 2022 das Niveau von 2019 erreichen kann“, meint Bruckbauer. Das größte Risiko für die Prognose ist eine Enttäuschung bei der medizinischen Entwicklung speziell rund um eine Impfung. Eine Erholung der Wirtschaft auf das Niveau von 2019 würde sich weit in die Zukunft verschieben und langfristig negative Auswirkungen wären die Folge.
„Ein überraschend schnellerer Fortschritt der medizinischen Entwicklung könnte dazu führen, dass Österreich bereits nächsten Sommer das wirtschaftliche Niveau von 2019 erreicht. Die heimische Wirtschaft könnte dann sogar Ende 2022 bereits auf den alten Wachstumspfad zurückkommen“, meint Bruckbauer abschließend.