UniCredit Bank Austria Analyse: Branchentrends beherrschen Entwicklung am Arbeitsmarkt während der Pandemie, Erholung wird mit Verzögerung am Arbeitsmarkt ankommen - direktbanken-vergleich.at

UniCredit Bank Austria Analyse: Branchentrends beherrschen Entwicklung am Arbeitsmarkt während der Pandemie, Erholung wird mit Verzögerung am Arbeitsmarkt ankommen

 In Allgemein
  • Erholung über den Sommer ermöglichte starke Korrektur der Verwerfungen am Arbeitsmarkt nach der ersten Pandemiewelle
  • Vor Beginn der zweiten Welle lag die Arbeitslosenquote in Österreich immer noch um 30 Prozent über dem Vorkrisenniveau
  • Die unterschiedliche Betroffenheit der Branchen in der Pandemie führte auch zu einer unterschiedlichen Betroffenheit bei der Arbeitslosigkeit nach Geschlecht, Bildungsniveau, Alter und Nationalität
  • Mit einsetzender wirtschaftlicher Erholung wird sich die Lage am Arbeitsmarkt ab dem zweiten Quartal 2021 voraussichtlich erholen, jedoch vorerst nur sehr moderat
  • Nach 9,9 Prozent 2020 wird die Arbeitslosenquote 2021 mit durchschnittlich 9,6 Prozent und 2022 mit 8,7 Prozent erwartet
  • Ende 2022 wird die saisonbereinigte Arbeitslosenquote voraussichtlich bei rund 8,3 Prozent und damit noch deutlich über dem Vorkrisenniveau liegen
  • Langfristige Folgen der Pandemie für den Arbeitsmarkt: Beschleunigung der Digitalisierung und der Verbreitung des Online-Handels, Neuorientierung im Tourismus, Schub für Flexibilisierung der Arbeit und stärkere Fokussierung auf Nachhaltigkeit und Resilienz

„Trotz der wirtschaftlichen Erholung über den Sommer hat sich die Lage am österreichischen Arbeitsmarkt bis zum Ausbruch der zweiten Pandemiewelle bei weitem nicht vollständig entspannen können. Vor allem einige Dienstleistungsbranchen blieben besonders stark betroffen, was auch für die Entwicklung der Arbeitslosigkeit nach Geschlecht, Bildungsniveau, Alter und Nationalität entscheidend war“, fasst UniCredit Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer einige Ergebnisse der aktuellen Analyse der Bank zusammen und ergänzt: „Die Verschlechterung der Lage am Arbeitsmarkt während der zweiten Pandemiewelle verläuft nach bekannten Mustern. Erst mit einem nachhaltigen Wirtschaftsaufschwung ab dem zweiten Halbjahr 2021 erwarten wir eine Entspannung. Während die Arbeitslosigkeit noch einige Jahre über dem Vorkrisenniveau liegen wird, ist durch die Pandemie mit der Beschleunigung struktureller Veränderungen am Arbeitsmarkt zu rechnen, etwa durch den nun rascher an Bedeutung gewinnenden Online-Handel.“

Die Ausbreitung der Pandemie und die Maßnahmen zu deren Eindämmung während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 verursachten rasch sehr massive Verwerfungen am österreichischen Arbeitsmarkt. Die saisonbereinigte Arbeitslosenquote, die im Februar 2020 auf 7,2 Prozent gesunken war – den tiefsten Wert seit immerhin 7 ½ Jahren – schnellte bis April auf 12,6 Prozent hoch. Mit der schrittweisen Öffnung der Wirtschaft verringerte sich die Arbeitslosenquote auf bis zu 9,3 Prozent Ende Oktober, noch fast 30 Prozent über dem Vorkriseniveau.

Dienstleistungssektor am stärksten betroffene Branche
„Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie bestimmten die Stärke und die Länge der Folgen für den Arbeitsmarkt in den einzelnen Branchen. Im Dienstleistungssektor sind die am stärksten betroffenen Branchen zu finden. Allen voran die Gastronomie und Beherbergung mit einer Verdreifachung der Arbeitslosenquote im Frühjahr 2020 auf fast 45 Prozent. Vor Ausbruch der zweiten Welle lag die Arbeitslosenquote in dieser Branche noch immer um 40 Prozent über dem Vorkrisenniveau“, sagt UniCredit Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl.

Auch die Lage am Bau verschlechterte sich kurzfristig überdurchschnittlich stark, erholte sich jedoch ab März schrittweise und setzte den positiven Trend sogar zu Beginn des zweiten Lockdowns fort. In der Industrie stieg dagegen die Arbeitslosigkeit nur unterdurchschnittlich stark an, zumal das Kurzarbeitsmodell besonders intensiv genutzt wurde. Zu Beginn der zweiten Pandemiewelle lag die Arbeitslosenquote allerdings immer noch um rund 30 Prozent über dem Vorkrisenniveau. Die geringsten Folgen hatte die Pandemie auf den Arbeitsmarkt von Nicht-Markt-Dienstleistungen, wie der öffentlichen Verwaltung, dem Erziehungs- und Bildungswesen und dem Gesundheitssektor.

Die unterschiedlichen Auswirkungen der Pandemie auf die einzelnen Branchen der österreichischen Wirtschaft sind bestimmend für die unterschiedlich starke Betroffenheit der ArbeitnehmerInnen von Arbeitslosigkeit nach Geschlecht, Alter, Bildungsniveau und Nationalität. Nach bekanntem Schema war das Risiko, seinen Arbeitsplatz während der ersten Pandemiewelle zu verlieren, für schlechter qualifizierte Personen grundsätzlich höher als für besser qualifizierte.

Allerdings sorgte die besonders starke Betroffenheit von Branchen wie der Gastronomie und der Beherbergung sowie dem Handel in Abweichung dieser Regel bei Personen mit Lehrabschluss für den stärksten Anstieg der Arbeitslosigkeit. Vor Beginn der Pandemie war die Lage für ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Arbeitsmarkt ungünstiger und hat sich in der Zeit bis zum zweiten Lockdown relativ gegenüber inländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitsnehmern sogar weiter verschlechtert.

Neben den unterschiedlich hohen Beschäftigungsanteilen in einzelnen Wirtschaftsbranchen ist dies auch auf eine stärkere Randbelegung durch ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am österreichischen Arbeitsmarkt zurückzuführen. Nach Altersgruppen zeigt sich eine überdurchschnittlich starke Betroffenheit von jüngeren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, da diese stark in den am stärksten betroffenen Branchen tätig sind, wie die Gastronomie und Beherbergung, Kunst, Unterhaltung und Erholung und sonstigen Dienstleistungen. Auch die Schwierigkeiten für Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger in einer Wirtschaftskrise am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, haben dazu beigetragen. Dagegen hat sich die Altersarbeitslosigkeit während des ersten Lockdowns relativ am geringsten verschärft, da diese Altersgruppe am stärksten vom Instrument der Kurzarbeit profitiert haben dürfte.

Während zu Beginn der Pandemie die Arbeitslosigkeit von Frauen stärker als jene der Männer stieg, begann sich mit der Öffnung im Tourismus, Handel und der persönlichen Dienstleistungen die Situation der Frauen über den Sommer vergleichsweise stärker zu verbessern. Die saisonbereinigte Arbeitslosenquote von Frauen lag Ende Oktober mit 8,8 Prozent sogar um einen Prozentpunkt unter jener von Männern. Dieser Vorteil für Frauen gegenüber Männern relativiert sich jedoch angesichts eines zumindest temporär sinkenden Arbeitskräfteangebots, was darauf schließen lässt, dass sich mehr Frauen aufgrund gestiegener familiärer Verpflichtungen vom Arbeitsmarkt zurückgezogen haben.

„Die Maßnahmen zur Eindämmung der ersten Pandemiewelle ab dem Frühjahr 2020 haben sich auf die einzelnen Wirtschaftsbranchen sehr unterschiedlich ausgewirkt, was die persönliche Betroffenheit am Arbeitsmarkt maßgeblich bestimmt hat. Junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, gering Qualifizierte und auf lange Sicht eher Frauen waren während der ersten Pandemiewelle die Verlierer am österreichischen Arbeitsmarkt“, fasst Pudschedl zusammen.

Pandemie wird strukturelle Veränderungen beschleunigen
Neben den kurzfristigen Verwerfungen sind durch die Pandemie dauerhafte Veränderungen mit Folgen für den österreichischen Arbeitsmarkt zu erwarten. Nach Einschätzung der Ökonomen der UniCredit Bank Austria zeichnen sich fünf wesentliche Trends ab: Erstens wird die Digitalisierung der Arbeitswelt nach der „erzwungenen“ Initialzündung während der Pandemie rascher an Bedeutung gewinnen, als noch vor der Pandemie erwartet.

Zweitens haben die Lockdowns während der Pandemie zu einer Veränderung des Einkaufsverhaltens der Konsumenten beigetragen, die dem Online-Handel gegenüber dem stationären Handel dauerhaft Rückenwind geben wird.

Drittens wird der Tourismus ein Comeback feiern, aber sich dafür langfristig neu ausrichten müssen, etwa in Hinsicht auf ein gestiegenes Sicherheitsbedürfnis. Viertens ist als Konsequenz dieser Faktoren mit einer beschleunigten Flexibilisierung der Arbeitswelt zu rechnen. Last but not least dürfte fünftens das Thema Nachhaltigkeit und Resilienz in unterschiedlichster Form stärker in den Vordergrund rücken.

Zögerliche Entspannung am Arbeitsmarkt zu erwarten
Mit Hilfe des Instruments der Kurzarbeit konnten die unmittelbaren Folgen der Pandemie für Unternehmen und Beschäftigte deutlich abgefedert werden. Mit Auslaufen der derzeitigen dritten Phase der Kurzarbeit Ende März 2021 wird es sich zeigen, wie gut die Wiedereingliederung der Personen in laufenden Kurzarbeitsprojekten von 440.000 Mitte Jänner 2021 verlaufen wird.

Voraussichtlich werden nicht alle betroffenen Personen nach Ablauf der Kurzarbeit aufgrund fehlender Auslastung in den Betrieben wieder in den regulären Arbeitsprozess übernommen werden können. „Wir erwarten, dass die Arbeitslosenquote während der zweiten Pandemiewelle zwar niedriger bleiben wird als im Frühjahr 2020, aber kurzfristig über den Winter wieder zweistellige Werte annehmen könnte. Erst mit Einsetzen des wärmeren Wetters und der zunehmenden Durchimpfung der Bevölkerung wird die einsetzende wirtschaftliche Erholung in der zweiten Jahreshälfte 2021 für eine dauerhafte Verbesserung am österreichischen Arbeitsmarkt sorgen. Nach 9,9 Prozent im Jahresdurchschnitt 2020 erwarten wir für 2021 nur einen geringen Rückgang der Arbeitslosenquote auf 9,6 Prozent“, so Pudschedl.

Erst 2022 ist mit einem Rückgang auf durchschnittlich 8,7 Prozent mehr Bewegung bei der Arbeitslosenquote zu erwarten. Ende 2022 wird die saisonbereinigte Arbeitslosenquote bei rund 8,3 Prozent und damit noch deutlich über dem Vorkrisenniveau liegen. Im Jahresdurchschnitt 2019 hatte die Arbeitslosenquote 7,4 Prozent betragen. „Historisch waren Pandemien oft mit Entwicklungs- und Innovationssprüngen verbunden. Da ausgetretene Wirtschaftspfade und Denkmuster verlassen werden müssen, um sich den neuen Anforderungen zu stellen, kann gerade die derzeitige Krise zu jener Initialzündung für nachhaltige strukturelle Reformen werden, die Österreich die Chance bietet, hinsichtlich Innovation und wirtschaftlicher Konkurrenzfähigkeit an Europas Spitze zu gelangen“, meint Bruckbauer.

 

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