UniCredit Bank Austria Konjunkturindikator: Konjunkturerholung hat eingesetzt, Tempo wird im zweiten Halbjahr 2020 aber noch verhalten sein
- Wirtschaftserholung nach Shutdown startete in Österreich bereits vor Jahresmitte
- Das beweist der zweite Anstieg des UniCredit Bank Austria Konjunkturindikators in Folge im Juni auf minus 0,9 Punkte
- Zweistelliger Einbruch im zweiten Quartal markiert trotzdem stärkste Rezession der zweiten Republik mit Rückgang um fast 10 Prozent im ersten Halbjahr
- Optimismus am Bau kehrt zurück und Verbraucher gewinnen an Zuversicht
- Industriestimmung verbessert sich aber nur langsam, Dienstleistungssektor nur wenig über historischem Stimmungstief
- Bescheidene Konsum- und Investitionsdynamik sowie zurückhaltende Nachfrageimpulse aus dem Ausland kennzeichnen Erholungstempo im zweiten Halbjahr 2020 und 2021
- Aufgrund der früheren Öffnung der Wirtschaft: BIP-Rückgang 2020 mit 8 Prozent etwas geringer als erwartet, dafür auch Wirtschaftswachstum 2021 mit 7 Prozent moderater
- Verbesserung am Arbeitsmarkt gerät im Herbst ins Stocken
- Niedriger Ölpreis und Nachfragezurückhaltung dämpfen Inflation 2020
Nach dem Allzeittief während des Shutdowns im April hat sich die Konjunkturstimmung in Österreich mittlerweile klar verbessert. „Der UniCredit Bank Austria Konjunkturindikator ist im Juni den zweiten Monat in Folge gestiegen. Die österreichische Wirtschaft hat das Konjunkturtief überwunden. Obwohl die Öffnung der Wirtschaft früher erfolgte, als wir ursprünglich erwartet haben, steht die Erholung der heimischen Wirtschaft aber noch am Anfang. Mit aktuell minus 0,9 Punkten liegt der Indikator etwa auf dem Niveau von Mitte 2009, als die Folgen der Finanzkrise noch stark spürbar waren“, meint UniCredit Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer.
Nach der erstmaligen Verbesserung im Mai im Vergleich zum Tiefpunkt während des Shutdowns im April hat sich die Konjunkturstimmung in Österreich im Juni erneut in allen Wirtschaftssektoren aufgehellt oder zumindest etwas entspannt. „Im Juni haben wieder alle Komponenten zum Anstieg des UniCredit Bank Austria Konjunkturindikators beigetragen. Allerdings zeigen sich deutliche Unterschiede: Am Bau kehrt relativ rasch der Optimismus zurück. Dagegen bremst das weiter schwierige Exportumfeld die Industrie und an der besonders starken Betroffenheit des Dienstleistungssektors hat sich bislang nur wenig geändert, obwohl die Stimmung der Konsumenten spürbar nach oben gezogen ist und sogar wieder den langjährigen Durchschnittswert übertrifft“, meint Bruckbauer.
Etwas geringerer Wirtschaftseinbruch dank früherer Öffnung
Die Verbesserung der Konjunkturstimmung im Mai und noch stärker im Juni geht Hand in Hand mit der Lockerung der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus und der schrittweisen Normalisierung des Wirtschaftslebens. „Nach dem starken Rückgang des BIP um fast 3 Prozent im Jahresvergleich im ersten Quartal haben sich die negativen wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise im zweiten Quartal erst so richtig niedergeschlagen. Da die Öffnung der heimischen Wirtschaft aufgrund des relativ günstigen Infektionsverlaufs aber etwas früher erfolgen konnte, als wir ursprünglich angenommen haben, ist der Einbruch der österreichischen Wirtschaft voraussichtlich etwas geringer als erwartet ausgefallen. Allerdings betrug der Rückgang des BIP im zweiten Quartal dennoch ca. 15 Prozent, so dass der Wirtschaftseinbruch im ersten Halbjahr insgesamt fast 10 Prozent betragen hat“, so Bruckbauer.
Belastungen drücken Erholungstempo
Aufgrund der frühen Öffnungsmaßnahmen hat in Österreich bereits vor der Jahresmitte eine Erholung der Wirtschaft begonnen. Das anfänglich hohe Tempo aus dem de-facto Stillstand heraus kann jedoch nicht gehalten werden. Dies liegt zum einen an den fehlenden Impulsen aus dem Ausland. Insbesondere die stark exportorientierte Industrie leidet unter noch bestehenden Beschränkungen in anderen Ländern zur Eindämmung der Virusausbreitung und der logistischen Erschwernisse im internationalen Handel. Zum anderen kommt die Inlandsnachfrage nicht richtig in Schwung. Die permanent vorhandene Ansteckungsgefahr verunsichert die Konsumenten und führt in Kombination mit der Sorge um den Arbeitsplatz im derzeit stark belasteten Arbeitsmarktumfeld zu einer spürbaren Kaufzurückhaltung insbesondere bei langlebigen Konsumgütern. Zudem fehlen die Impulse vom Tourismus, der vor allem in den Städten sowie durch den Mangel an Auslandsgästen unterausgelastet ist. Der angespannte wirtschaftliche Rahmen, geringere Liquidität nach Betriebsunterbrechungen sowie mangelnde Perspektiven beeinträchtigen die Risikobereitschaft der Unternehmen und hemmen die Investitionsnachfrage. „Das weitere Erholungstempo der österreichischen Wirtschaft wird von der Verunsicherung der Konsumenten, der gestiegenen Risikoaversion der Unternehmer sowie der Schwierigkeiten im Außenhandel belastet. Nach unserer Einschätzung haben sich die Herausforderungen in den vergangenen Wochen erhöht, so dass wir mittlerweile von einem etwas moderateren Aufholprozess als bisher ausgehen. Nach dem etwas geringer als erwarteten Rückgang des BIP um 8 Prozent im Jahr 2020, der der früheren Öffnung der Wirtschaft zu verdanken ist, gehen wir für 2021 von einem nunmehr etwas schwächeren Plus um 7 Prozent aus“, so UniCredit Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl. Damit wird die österreichische Wirtschaftsleistung Ende kommenden Jahres nach Einschätzung der Ökonomen der UniCredit Bank Austria unverändert noch um rund 1 Prozent unter dem Vorkrisenniveau liegen. Diesem Szenario unterliegt die Annahme, dass kein erneuter genereller Shutdown der Wirtschaft erfolgen wird, aber aufgrund höherer Infektionszahlen, in den kommenden Monaten lokale Gegenmaßnahmen erforderlich sein werden, die das Tempo der Erholung der Wirtschaft belasten werden.
Verlangsamung der Entspannung am Arbeitsmarkt
Die frühere Öffnung der Wirtschaft hat sich positiv auf die Entwicklung am Arbeitsmarkt in den vergangenen Wochen ausgewirkt. Nach dem Höhepunkt im April mit fast 13 Prozent ist die Arbeitslosenquote Ende Juni auf knapp über 10 Prozent gesunken. Im ersten Halbjahr betrug die Arbeitslosenquote durchschnittlich 10,6 Prozent und lag damit um 3 Prozentpunkte über der Vergleichsperiode des Vorjahres. Obwohl die Anzahl der Arbeitssuchenden seit dem Höhepunkt in nur zwei Monaten um immerhin mehr als 100.000 Personen gesunken ist, sind noch rund 150.000 Personen mehr arbeitslos als im Vorjahr und mehr als 450.000 Menschen sind zudem in Kurzarbeit. „Die Wiedereingliederung aus der Kurzarbeit insbesondere in einigen Dienstleistungsbereichen sowie die steigende Insolvenzgefahr wird bei eher moderatem Erholungstempo im zweiten Halbjahr den weiteren Abbau der Arbeitslosigkeit nur mühsam vorankommen lassen. Wir gehen davon aus, dass die durchschnittliche Arbeitslosenquote 2020 mit 10,2 Prozent nur etwas geringer als im ersten Halbjahr ausfallen wird“, meint Pudschedl. 2021 ist ein Rückgang der Arbeitslosenquote auf 8 Prozent zu erwarten. Damit wird die Arbeitslosigkeit weiterhin klar über dem Vorkrisenniveau liegen.
Keine Inflationstreiber in Sicht
Der starke Rückgang des Ölpreises und Rabattierungen nach der Wiedereröffnung zur Ankurbelung der Nachfrage haben die Inflation von über 2 Prozent zu Jahres beginn im Verlauf des ersten Halbjahrs spürbar auf unter 1 Prozent gesenkt. „Die Teuerung wird in den kommenden Monaten aufgrund des niedrigen Ölpreises und des fehlenden Nachfragedrucks weiter unter 1 Prozent im Jahresvergleich betragen. Nach durchschnittlich 1,4 Prozent im ersten Halbjahr erwarten wir für das Gesamtjahr einen Rückgang der Inflation auf durchschnittlich 1,1 Prozent“, so Pudschedl.