Der Präsident der lockeren Geldpolitik
Die achtjährige Regentschaft von Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), endet am 31. Oktober.
Für die einen wird er als Retter der Euro-Zone oder der EU in die Geschichtsbücher eingehen, für andere hat er die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank für immer verändert und ein großes Experiment mit ungewissem Ausgang gestartet. Das endgültige Urteil werden wohl die nächsten Krisen fällen.
Auf Basis der EU-Wirtschaftsdaten sah es im 4. Quartal 2018 in der Eurozone noch so aus als würde die EZB 2019 erstmals nach 8 Jahren wieder an der Zinsschraube drehen. Doch diese Erwartung hat sich im 1. Quartal 2019 verflüchtigt. Ausgelöst durch den globalen Konjunkturabschwung und einem Deutschland, das nahe an der Rezession vorbeischrammte, bereitete EZB-Präsident Mario Draghi den Zinsmarkt erneut auf eine Verlängerung der Politik des lockeren Geldes vor.
Nachdem sich die Konjunktur und Wirtschaftsprognosen nach unten verschoben hatten, hat die EZB im März endgültig eine erste vorsichtige Zinsanhebung für 2019 abgeblasen. Eine Anhebung wurde auf 2020 verschoben und wie immer von der seit Jahren zu niedrigen Inflationsrate (2018: 1,7%!) abhängig gemacht, die laut EZB-Maxime „unter, aber nahe 2 Prozent“ liegen sollte. Fazit: der Leitzinssatz bleibt bei 0,0% und der Einlagenzinssatz bei minus 0,40% einzementiert. Um dem Konjunkturabschwung an Schärfe zu nehmen, wird Mario Draghi ein weiteres Programm von gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäften (TLTROs) für eine Laufzeit von 2 Jahren nachschieben. Das sollte die Kreditvergabe der Banken neuerlich ankurbeln und auslaufende TLTROs auffangen.
Auf der April-Sitzung der EZB wurde erstmals ein abgestuftes Zinssystems für Einlagen diskutiert, um den Effekt des Negativzinses für Einlagen (-0,40%) von Geschäftsbanken bei der Zentralbank abzumildern. Der Stufenzins könnte die Profitabilität von Eurobanken erhöhen, die ein Kostenproblem haben. Vorbild ist hier das abgestufte Einlagesystem der Schweizerischen Nationalbank.
Weitere Hemmschuhe für die wirtschaftliche Erholung im Euroraum könnten der schleppende Brexit-Prozess sein und ein drohender Handelskrieg mit den USA. Der zunehmende Protektionismus der USA könnte nach Mexiko, Kanada und China nun auch Europa treffen (z. B. Flugzeug- und Automobilindustrie).
Ein anderer Unsicherheitsfaktor für die europäische Zins- und Geldpolitik sind die EU-Wahlen im Mai. Ein rechtspopulistischer Ruck könnte z. B. auf die Nachfolge von EZB-Präsident Draghi Einfluss haben. Die Bestellung seines Nachfolgers muss nämlich bis zum 31.10.2019 erfolgen. Zieht hier ein anderer geldpolitischer Wind in die EZB ein, könnte das für einige Euroländer unangenehme Folgen haben.
Aber eines ist gewiss: Die Handlungsmöglichkeiten der EZB sind, trotz aller Beteuerungen durch EZB-Präsident Mario Draghi, deutlich geringer als noch vor seinem Amtsantritt 2011. Die Hypothek der lockeren Geldpolitik mit Nullzinspolitik und Anleihekaufprogramm wird die Entscheidungen eines neuen EZB-Präsidenten langfristig beeinflussen. Spielraum für Zinssenkungen, wie ihn die US-Notenbank Federal Reserve nach den Anhebungen der letzten zwei Jahre hat, gibt es bei der EZB kaum. Aber auch einer weiteren Ausweitung der Geldmenge sind bei einem neuerlichen externen Schock oder einer Rezession Grenzen gesetzt. Es bleibt abzuwarten, ob ein neuer EZB-Präsident die Zentralbank wieder handlungsfähiger machen kann und neue Wege beschreitet.
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